Wie weiter nach der Bundestagswahl?
Die SPD Thüringen hat bei der Bundestagswahl 23,4 % der Stimmen erhalten und ist damit zweitstärkste Kraft, knapp hinter der AfD geworden. Georg, wie ist das gelungen und was bedeutet das für die weitere Arbeit hier in Thüringen?
Zunächst einmal freue ich mich riesig über diesen Erfolg, der eine hervorragende Teamleistung war. Natürlich hat uns Olaf Scholz als Spitzenkandidat einen enormen Rückenwind gegeben und die Kernthemen, für die er steht, Mindestlohn von 12 Euro und stabile Renten, sind gerade für den Osten sehr wichtige Fragen. Ich denke aber auch, dass wir hier in Thüringen einiges richtig gemacht haben. Wir sind mit einem tollen Team angetreten und haben, trotz der schwierigen Ausgangslage, von Anfang an um jede Stimme gekämpft. Alle Kandidierenden und ihre Teams haben sich unglaublich engagiert und unzählige Info-Stände, Veranstaltungs- und Vereinsbesuche und Tür-zu-Tür-Aktionen absolviert. Das direkte Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern ist aus meiner Sicht eine enorm wichtige Grundlage für jeden Wahlerfolg. Die drei Direktmandaten und die guten Ergebnisse auch in den anderen Wahlkreisen geben mir da recht.
Die Wählerinnen und Wähler haben auch honoriert, dass die SPD in Thüringen als einzige Partei konsequent für die versprochene Neuwahl des Landtages eingetreten ist. Verlässlichkeit, Gradlinigkeit und Geschlossenheit sind Eigenschaften, die uns als Partei seit geraumer Zeit auszeichnen und das hat sich bei der Bundestagswahl ausgezahlt.
Aber natürlich müssen wir uns auch kritisch mit dem AfD-Ergebnis auseinandersetzen. Das knappe Viertel der Wählerinnen und Wähler, die dort ihr Kreuz gesetzt haben, gibt Anlass zur Sorge. Denn die AfD hat diesen Erfolg erreicht, obwohl sie in Thüringen einen Faschisten an ihrer Spitze hat und obwohl sie als Partei vor allem durch Skandale und internen Streit aufgefallen ist. In Thüringen erzielt die AfD inzwischen über einen längeren Zeitraum solche zweifelhaften Erfolge. Das müssen wir noch stärker in den Blick nehmen und die kommenden Jahre unbedingt nutzen, um diese Partei endlich wieder zurückzudrängen.
Im Landesvorstand haben wir dazu schon einige Schritte besprochen. Wir werden die zusätzlichen Ressourcen nutzen, um unsere Büro- und Personalstruktur vor Ort zu stärken und damit unsere Präsenz und Sichtbarkeit in der Fläche verbessern. Ich bin sehr dankbar, dass sich unsere Abgeordneten hier in besonderem Maße mit einbringen wollen. Aus meiner Sicht ist es entscheidend, dass wir unsere Politik sehr nah an der Lebenswirklichkeit der Menschen in den Regionen ausrichten und konkrete Lösungen für die jeweiligen Herausforderungen entwickeln.
Eigentlich hätte parallel zur Bundestagswahl auch der Thüringer Landtag neu gewählt werden sollen, doch der Antrag wurde aufgrund von fehlenden Stimmen bei CDU und Linken zurückgezogen. Wie geht es nun weiter?
Um es klar zu sagen: Die Situation ist maximal verfahren und auch sehr instabil. CDU und FDP weigern sich auch weiterhin in ein Gesprächsforum mit rot-rot-grün einzusteigen und in gemeinsamer Verantwortung für das Land nach demokratischen Mehrheiten zu suchen. Das lässt für die parlamentarische Arbeit in den nächsten drei Jahren schlimmes befürchten. Mit den Haushaltsverhandlungen werden wir den ersten Lackmustest zu bestehen haben. Denn ohne verabschiedeten Haushalt geraten Investitionen ins Stocken und Fördermittel können nicht ausgezahlt werden. Das wäre fatal fürs Land – gerade jetzt, wo es darum geht, die Folgen der Pandemie zu bewältigen Land. Wir haben als Landesregierung vorgelegt und einen Haushaltsentwurf ohne neue Schuldenaufnahme erarbeitet, der sogar noch an einigen wichtigen Stellen Akzente setzt. Ich erwarte jetzt, dass sich CDU und FDP besinnen und zu einer konstruktiven Sacharbeit zurückkehren. Das haben die Menschen in diesem Land verdient.
Gerade laufen auf Bundesebene die Verhandlungen zu einer Koalitionsregierung aus SPD, Grünen und FDP. Du bist dort in der Arbeitsgruppe für Innenpolitik vertreten. Was werden deine Schwerpunkte in den Verhandlungen sein?
Es ist an der Zeit, dass nach 16 Jahren konservativ geprägter Innenpolitik im Bund eine Neuorientierung stattfindet. Innenpolitik mit sozialdemokratischer Handschrift wird die Prävention betonen. Wir wollen stärker die Ursachen von Kriminalität in den Blick nehmen. Das betrifft ganz viele Felder, beispielsweise eine gute Sozial- und Integrationspolitik. Menschen mit einer vernünftigen wirtschaftlichen Perspektive und guten Entfaltungsmöglichkeiten werden weniger straffällig.
Gleichwohl steht die SPD für einen starken Staat und die wehrhafte Demokratie. Wir zollen den Polizistinnen und Polizisten unseren Respekt für ihre herausfordernde Tätigkeit und streben in den Verhandlungen an, Ausstattung und Arbeitsbedingungen weiter zu verbessern. Ferner wollen wir dafür Sorge tragen, dass rechtsextremistisches Gedankengut keinen Platz in den Sicherheitsbehörden hat. Nicht zuletzt müssen wir in den Feldern der Organisierten Kriminalität und bei der Cybercrime besser werden. Hier braucht es Spezialistinnen und Spezialisten und mehr Ressourcen, um in diesen Bereichen Fortschritte zu erzielen.