Eine Jugend in der Pandemie
Wie junge Menschen die Corona-Jahre erleben
An Grenzen gehen, Freiheit suchen und auch mal über die Stränge schlagen: Das bedeutet Jugend. Aber was bedeutet Jugend in der Pandemie? Oft wird von Schüler:innen und Student:innen gesprochen. Von jungen Menschen mit Bedürfnissen abseits von Bildung und Schule hört man weniger. Wenn über sie gesprochen wurde, dann oft nur negativ. Anwohner:innen störten sich beispielsweise an ihren Partys im Corona-Sommer. Dabei gibt es so viel über junge Menschen zu erzählen. Wir haben uns deshalb auf den Weg gemacht und nachgefragt.
Für den Abiturienten Florian wurde die Pandemie erst mit den Schulschließungen real. Er machte damals, was alle taten: Kontakte reduzieren, Abstand halten und Maske tragen. Für ihn waren die Schließungen von Sportplätzen und Skateparks schlimm. Für den Skateboarder war damit die Freizeitgestaltung auf einen Schlag weg. Er hofft jetzt auf sinkende Fallzahlen und die Möglichkeit seinen 18. Geburtstag so zu feiern, wie man sich das wünscht: Gemeinsam mit vielen Freund:innen. Aber Gutes hat diese Zeit auch, sagt er: Die Langeweile weckte seine Kreativität. Er fing an Musik zu produzieren, zuhause am Computer.
Auch die Naturfreundin Julika macht gerade ihr Abitur. Die letzten zwei Jahre waren für sie surreal: „Alles hat sich angefühlt wie in einem Science-Fiction-Film“, erzählt sie uns. Wirklichkeit wurde die Pandemie, als ihre Mutter Ende Februar 2020 eine Geburtstagsparty absagte. Für Julika begann kurz darauf Homeschooling. Die Langeweile vertrieb sie sich in Online-Spielabenden mit Freund:innen, aber sie sagt auch: „Die Pandemie macht einsam.“ Onlineangebote haben in dieser Zeit geholfen, können aber das wirkliche Leben nicht ersetzen. In den Sommermonaten konnte sie wenigstens ein bisschen ihre Jugend genießen und war auch auf Openair-Veranstaltungen unterwegs. Jetzt fiebert sie der Zeit entgegen, wenn Corona Vergangenheit ist und endlich „viel gelebt“ werden kann. Was Julika nach dem Abitur macht, weiß sie noch nicht genau, aber es wird auf jeden Fall etwas im sozialen Bereich. Die vergangenen zwei Jahre haben ihr eben auch bewiesen, dass sich junge Menschen in der Krise sehr solidarisch verhalten haben. Das macht Mut.
Der Azubi Alexander erzählt uns, dass die Perspektiven von jungen Menschen, Schüler:innen und Studierenden in der Pandemie kaum eine Rolle gespielt haben. Menschen wie er, hatten aber noch weniger Möglichkeiten auf ihre Probleme aufmerksam zu machen. Im Ausbildungssystem hat Corona nochmal andere Widersprüche produziert. Während alle von Kontaktreduzierung redeten, bedeutete Schulschließung und Homeschooling für seine Kolleg:innen konkret: Schicht statt Schule. Schließlich sei schulfrei. Bei einer Mindestausbildungsvergütung auf ALGII-Niveau wurden alle sozialen und finanziellen Belastungen der Pandemie noch einmal verstärkt.
Johanna aus Berlin studiert Internationale Beziehungen an der Universität Erfurt. Die Pandemie erwischte sie mitten in ihrer ersten Prüfungsphase – auch ohne Virus eine absolute Ausnahmesituation
für viele Studierende. Die Klausuren im ersten und zweiten Semester gelten als „Rausschmeißer“. Am Anfang ihres Studiums lernte sie noch kennen, was sie die nächsten Semester vermissen wird: Die Unbeschwertheit und die Spontanität. Abends loszuziehen, andere Studierende zu treffen, auf Partys zu gehen und neue Bekanntschaften zu machen. An Erfurt hat sie damals das subkulturelle Leben schätzen gelernt, das sich abseits der Innenstadt im Norden abspielt. Sie sagt, sie hätte Glück gehabt und Freundschaften schon damals geknüpft. Die haben sie durch die Pandemie begleitet. Johanna ist sich vollkommen bewusst, das Studierende in der Pandemie zu der Gruppe gehörten, die immer relativ privilegiert waren: Unterstützungsleistungen gab es beispielsweise durch die Bundesregierung. Studierende haben sich auch in dieser Zeit immer Freiräume gesucht, vorsichtig und mit Blick auf ihre Verantwortung, aber sie fanden Freiräume. Auch ihr fehlten die sozialen Kontakte. Bei ihrer Arbeit im Testzentrum, war sie froh darüber, trotzdem noch Menschen, um sich zu haben. Jetzt freut sie sich auf ihren letzten hoffentlich „unbeschwerten“ Sommer in Erfurt. ν