Die ersten Tage im Deutschen Bundestag
Ich schreibe diese Zeilen Mitte Oktober. Seit der Bundestagswahl sind drei Wochen vergangen und die ersten Schritte im Bundestag sind gemacht (eine der wichtigsten Lektionen: Die Kantine im JKH schließt 14.30 Uhr!). In Anbetracht von 49 Jusos – knapp einem Viertel der Fraktion – und 104 Fraktionsneulingen war in der Presse teilweise die Rede von einer „Klassenfahrtstimmung“ in den ersten Tagen. Ganz von der Hand zu weisen war dieser Eindruck tatsächlich nicht, aber er wich für uns schon recht schnell ganz realen Herausforderungen, z.B. der zügigen Besetzung des Berliner Büros. Das Problem: Büroräume gibt es für uns noch gar nicht. Aber die „alten“ Kolleg:innen helfen gerne und gewähren uns Unterschlupf. Ich durfte erstmal einen Schreibtisch im Büro meines ehemaligen Chefs (und jetzigem Fraktionskollegen) Edgar Franke aus Hessen in Beschlag nehmen – gelebte SPD-Solidarität.
Inhaltlich herausfordernd ist gerade, dass ich noch gar nicht konkret loslegen kann. Zuerst brauchen wir ja einen Koalitionsvertrag. Also heißt es leider zunächst abwarten, Tee aus meiner neuen Regine-Hildebrand-Tasse trinken, auf Verhandlungsergebnisse warten und meinen überquellenden Briefkasten ausräumen. Freundliche Lobbyverbände gratulieren mir zur Wahl und die Stapel mit Veranstaltungseinladungen, Gesprächsanfragen und Forderungspapieren stapeln sich bald über meinem Interimsschreibtisch.
Nach dem Sondierungspapier bin ich hin- und hergerissen zwischen den eigenen politischen Wünschen und der Realität einer sich abzeichnenden Ampel-Koalition. Denn zwar freue ich mich enorm über einen Mindestlohn von 12€ oder die Rentengarantie aber andererseits zeichnet sich schon jetzt ab, welche Kompromisse uns als SPD dafür vermutlich abverlangt werden. Ich kann auch gerade als Gesundheitspolitikerin nicht ganz verhehlen, dass ich mir in diesem Bereich mehr Progressivität und Mut gewünscht hätte. Hier gilt es in den kommenden Wochen, unsere Forderungen konstruktiv in die Koalitionsgespräche einzubringen