Mitgliederbrief des Landesvorsitzenden
Liebe Genossinnen und Genossen,
manchmal ist es an der Zeit, sich schwierige Fragen vorzulegen und dann zu entscheiden. Eine solche Zeit ist für mich gekommen.
Für mich stellte sich in den letzten Wochen die nicht leichte Frage, ob ich für die Landtagswahl im April nächsten Jahres ein zweites Mal für eine Kandidatur als Spitzenkandidat zur Verfügung stehen sollte. Ich habe mich nach gründlicher Überlegung entschieden.
Aber zunächst ein Blick zurück:
Ihr habt mich im März 2018 in einer schwierigen Situation der Partei zum Landesvorsitzenden gewählt. Mit Respekt, aber auch mit der Freude am Gestalten habe ich Euren Auftrag angenommen. Ich habe meine Erfahrung und meine nie versiegende Zuversicht in die Waagschale geworfen, um auf meine Weise unser Land und unsere Partei ein Stück zu prägen und voranzubringen. Ich bin sehr froh, mit Euch diese erfüllende Zeit erlebt zu haben. Allen, die mich auf diesem Weg begleitet und unterstützt haben, möchte ich dafür ganz herzlich Dank sagen. Mir ist es ein Bedürfnis, besonders der Landesgeschäftsstelle und an ihrer Spitze Anja Zachow herzlich zu danken.
Auch wenn es mich als homo politicus reizt, auch wenn ich Lust auf den Kampf gegen unsere politischen Mitbewerber habe, auch wenn mir der Landesvorsitz Freude macht, setze ich einen Schlusspunkt. Nach gründlichem Abwägen bin ich zum Ergebnis gekommen, im November und später auf dem Listenparteitag nicht noch einmal zu kandidieren. Die Entscheidung habe ich mir nicht leicht gemacht, wie Ihr Euch denken könnt.
Heute habe ich den Landesvorstand darüber informiert und meine Beweggründe dargelegt.
Ich kann mir vorstellen, dass es eine Menge Spekulationen ob der Hintergründe meiner Entscheidung geben wird. Egal, was orakelt wird, es gibt nur einen einzigen Grund: Ich müsste als Spitzenkandidat mit dem glaubwürdigen Versprechen antreten, die ganze Legislatur in einer möglichen neuen Regierung zu arbeiten. Durch die Neuansetzung der Landtagswahl für 2021 reicht diese Zeitspanne aber nun bis über meinen 71. Geburtstag. Das möchte ich Euch und mir nicht zumuten.
Und so ist jetzt nach meiner Überzeugung der richtige Zeitpunkt gekommen, mit genügend Zeit bis zum November und zum April nächsten Jahres die Weichen in unserer Partei neu zu stellen. Ich werde im November nicht wieder als Landesvorsitzender kandidieren, weil ich es persönlich für die beste Lösung halte, Vorsitz und Spitzenkandidatur in die Verantwortung einer Person zu legen. Selbstverständlich entscheidet das zu gegebener Zeit die Partei.
In Bezug auf meine Ministertätigkeit habe ich mich entschieden, für eine etwaige Regierungsbildung im Frühjahr 2021 nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Ich werde aus Erfurt heraus nach über 30 Jahren in unterschiedlichen politischen Ämtern eine neue berufliche Herausforderung jenseits der aktiven Politik suchen. Darauf freue ich mich.
Selbstverständlich werde ich – wie Ihr es von mir gewohnt seid – meine Aufgaben als Landesvorsitzender und auch die als Minister bis zum letzten Tag mit Herzblut und vollem Engagement wahrnehmen, keine Frage.
Ich hoffe, Ihr seht es wie ich: Unsere Landespartei ist in den letzten Monaten mit großer Geschlossenheit und Professionalität aufgetreten. Trotz aller Meinungsverschiedenheiten haben wir immer eine gemeinsam getragene Lösung gefunden. Unsere SPD Thüringen hat die Politik unseres Landes entscheidend geprägt. Obwohl unser Wahlergebnis 2019 und die aktuellen Umfragen eine andere Sprache sprechen, wir haben in harter Arbeit das Leben vieler Bürgerinnen und Bürger in Thüringen verbessert. Darauf können, darauf sollten wir stolz sein.
Ich danke von Herzen all denen, die in ihrem jeweiligen Umfeld und nach ihren Möglichkeiten dazu beigetragen haben.
Mit dieser Geschlossenheit werden wir auch den Weg zur Wahl einer neuen Person an die Spitze unserer Landespartei meistern, davon bin ich überzeugt. Der Landesvorstand wird noch vor der Sommerpause über den genauen Ablauf entscheiden. Über die Spitzenkandidatur wird ja wegen der notwendigen Auflösung des Landtages gemäß Verfassung erst in der 6-Wochen-Frist und damit relativ kurz vor der Wahl entschieden.
Wir sind auf den Wahlkampf vorbereitet: Der Landesvorstand hat am 30. April 2020 auf meinen Vorschlag hin entschieden, den GLV als Team mit der Vorbereitung und Umsetzung des Wahlkampfes zu betrauen. Erste Weichenstellungen sind erfolgt. Ihr könnt Euch sicher sein, selbstverständlich werde ich mit aller Energie so wie 2019 für ein möglichst gutes Ergebnis bei der Landtagswahl 2021 kämpfen. Krempeln wir die Ärmel hoch.
In der Hoffnung auf Euer Verständnis grüße ich Euch
Herzlich und solidarisch
Euer Wolfgang